Zollreform: Revolution oder Reförmchen – droht die EU am Status Quo zu scheitern?

Symbolbild zur EU-Zollreform: Ware passiert Grenzen ohne Unterbrechung – Vergleich mit Mobilfunk-Roaming
Patrick Nieveler
Zoll

Seit Jahrzehnten sprechen Politiker von Bürokratieabbau, Digitalisierung und Vereinfachungen für die Wirtschaft. Doch wenn es konkret wird, verheddert sich Europa oft in Kompromissen. Genau dieses Muster droht nun bei der Zollreform: Die EU-Kommission will mit ihrem Vorschlag zum UZK die größte Reform seit 1968 durchsetzen, doch der Rat bremst und könnte das Projekt auf ein bloßes „Reförmchen“ reduzieren, wenn man dem neuesten Vorschlag (Stand 27.06.2025) in Betracht zieht.

Vor allem beim Thema Abschaffung der klassischen Zollanmeldungen gehen die Meinungen auseinander. Während die Kommission ein automatisiertes, digital gestütztes System etablieren will, bleibt der Rat bei einem eher konservativen Ansatz und ersetzt die Zollanmeldung lediglich durch die Begriffe „Mitteilung“ und „Informationsbereitstellung“.

Was die Kommission plant: Zoll ohne Anhalten

Vereinfacht ausgedrückt möchte die Kommission (KOM) einen Zollabwicklungsprozess im Hintergrund etablieren, der auf eine Gestellung und zeitpunktbezogene Zollanmeldung verzichtet. Wenn alle Daten vorhanden sind und es kein Kontrollbedürfnis gibt, kann die Ware automatisiert überlassen werden und der physische Warenfluss wird nicht unterbrochen.

Also zusammengefasst:

  • Wegfall der klassischen Zollanmeldung
  • Etablierung eines digitalen Hintergrundprozesses über den EU Customs Data Hub
  • Automatisierte Überlassung von Waren, sobald alle Daten vorhanden sind und kein Kontrollbedarf besteht

Das würde demnach bedeuten, dass der physische Warenfluss nicht mehr unterbrochen werden würde und die Zollabwicklung im Hintergrund laufen könnte – modern, unsichtbar, effizient. Für Wirtschaftsbeteiligte würde das bedeuten: schnellere Abläufe, weniger Unterbrechungen, weniger Bürokratie. Natürlich kommt es auf viele Details an, die noch fehlen, aber der Ansatz klingt zumindest so, als könne er wirklich etwas zum positiven verändern. 

Das Bild aus der Praxis: Was wir vom Mobilfunk lernen können

Der Vorschlag der Kommission klingt ambitioniert – aber was bedeutet er konkret für den Alltag von Unternehmen? Um das zu verdeutlichen, hilft ein Vergleich mit einer Situation, die wir alle kennen und bei der Abläufe längst reibungslos im Hintergrund laufen: Dem Mobilfunk-Roaming.


Wenn wir mit dem Auto nach Italien fahren, wechselt unser Handy von einer Funkzelle in die nächste. Wir müssen nichts tun, nirgendwo anhalten, keine Daten erneut eingeben. Die Funkzelle prüft automatisch, zu welchem Netzbetreiber wir gehören, welche Leistungen unser Tarif umfasst und ob unsere Rechnungen bezahlt sind. Ergebnis: Wir bleiben nahtlos verbunden und müssen unsere Reise zu keinem Zeitpunkt unterbrechen, um Mobilfunkempfang zu erhalten.

Genauso versteht die Kommission die Zollreform. Beim „Wechsel der Funkzelle“ – sprich: beim Passieren einer Zollstelle – wird nur überprüft, ob die notwendigen Daten im EU Customs Data Hub vorliegen. Falls ja, kann die Ware passieren, ohne dass der Prozess gestoppt wird. Nur wenn Informationen fehlen, ist ein Zwischenstopp erforderlich.


Die Ratsposition: Neuer Name, altes Verfahren

Der Rat möchte da deutlich vorsichtiger vorgehen. Er möchte weiterhin, dass an den „Kontrollpunkten“ der Zollstellen ein definierter Datensatz in Form einer Mitteilung zu den heute bereits bekannten Gestellungszeitpunkten bereitgestellt wird, auch wenn der Begriff Gestellung eine andere Definition enthält. Das entspricht dem bisherigen Status Quo der Zollanmeldungen, nur dass der Begriff „Zollanmeldung“ ersetzt wird durch den Begriff „Mitteilung“.  Neue Begriffe, aber die Prozesse würden gleich bleiben.

Das wäre so, als müssten wir bei jedem Funkzellenwechsel anhalten, unsere persönlichen Daten, die Mobilfunknummer und unseren Provider auf ein Formular schreiben – und erst erst dann erhalten wir wieder Handyempfang und die Reise kann weitergehen. Ein umständlicher Status Quo, den viele als nicht mehr zeitgemäß empfinden.


Zollreform: Mut zur echten Revolution oder Rückfall ins Alte?

Die Frage ist also:

  • Schafft Europa mit der Zollreform einen Durchbruch, der den Handel wirklich erleichtert?
  • Oder bleibt alles beim Alten – nur mit neuem Vokabular?

Gerade in Zeiten von Blockchain, KI und Echtzeitdatenmanagement wirkt es widersprüchlich, weiter an Papierlogiken und Zwischenstopps festzuhalten.


Der Blick nach vorn

Jetzt kommt es auf die Trilog-Verhandlungen zwischen Kommission, Rat und Parlament an. Dort entscheidet sich, ob die Zollreform tatsächlich den Namen verdient – oder ob sie in alten Strukturen steckenbleibt.

Für die Wirtschaft ist klar: Nur ein digitales, automatisiertes Verfahren bringt echte Entlastung und weniger Bürokratie. Deshalb ist es entscheidend, dass Wirtschaftsverbände und Unternehmen die Entwicklungen eng begleiten und ihre Position einbringen.

Wer hier frühzeitig informiert ist, kann in der Debatte mitreden und seine Interessen wirksam vertreten. Genau dafür bieten wir unsere YouTube-Reihe zur Zollreform an, in der wir die wichtigsten Aspekte anschaulich aufbereiten.

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Zudem halten wir dich mit unserem Zoll to Date Format kontinuierlich über alle Fortschritte und Änderungen auf dem Laufenden.

Denn die „größte Reform des Zollrechts seit 1968“ darf nicht zur bloßen Mogelpackung verkommen – und wer vorbereitet ist, kann die Chancen aktiv nutzen.

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